BAG, Urteil vom 25.04.2013, 2 AZR579/12; Pressemitteilung Nr. 29/13

Wer in einer katholischen Einrichtung arbeitet, aber aus der Kirche austritt, muss auch zukünftig mit seiner Kündigung rechnen. Das Bundesarbeitsgericht hat erneut die Sonderstellung der kirchlichen Arbeitgeber bestätigt.

Sachverhalt

Der 60-jährige Kläger arbeitete seit 1992 als Sozialpädagoge in einem vom Caritasverband betriebenen sozialen Zentrum, in dem Schulkinder bis zum 12. Lebensjahr nachmittags betreut werden. Die Religionszugehörigkeit der Kinder ist ohne Bedeutung. Religiöse Inhalte werden nicht vermittelt. Im Februar 2011 trat der Kläger u.a. wegen der zahlreichen Missbrauchsfälle in katholischen Einrichtungen aus der katholischen Kirche aus. Daraufhin wurde ihm vom Caritasverband gekündigt.

Entscheidung

Der Zweite Senat des Bundesarbeitsgerichts hat - wie die Vorinstanzen - die Klage des Sozialpädagogen gegen die  auf seinen Austritt aus der katholischen Kirche gestützte Kündigung abgewiesen.

Das Gericht hatte zwischen den Grundrechten des Arbeitnehmers - etwa auf Glaubens- und Gewissensfreiheit - und dem Selbstbestimmungsrecht der Religionsgesellschaft abzuwägen. Dieses Selbstbestimmungsrecht der Kirchen ist nach Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 Satz 1 WRV grundgesetzlich verankert. Es erlaubt den Kirchen und den ihnen zugeordneten karitativen Einrichtungen, ihre Angelegenheiten selbst zu regeln.

Das Gericht kam zu dem Ergebnis, dass der beklagte Caritasverband nicht gezwungen werden könne, im Erziehungsbereich einen Mitarbeiter zu beschäftigen, der sich insgesamt von der katholischen Glaubensgemeinschaft losgesagt hat.

Der Kläger habe durch seinen Austritt gegen seine arbeitsvertraglichen Loyalitätsobliegenheiten verstoßen. Aufgrund dessen war es dem Beklagten nach Ansicht des Gerichts nicht zumutbar, ihn als Sozialpädagogen weiterzubeschäftigen. Nach dem kirchlichen Selbstverständnis leistete der Kläger unmittelbar „Dienst am Menschen“ und nahm damit am Sendungsauftrag der katholischen Kirche teil. Mit seinem Austritt habe er seine fundamentale Abwendung von der Kirche zum Ausdruck gebracht. Nach dem Verständnis des beklagten Caritasverbandes fehlt ihm deshalb die Eignung für eine Weiterbeschäftigung im Rahmen der Dienstgemeinschaft. Beschäftigungsdauer und Lebensalter des Klägers fielen demgegenüber im Ergebnis nicht ins Gewicht Außerdem gebe es für Sozialpädagogen auch außerhalb der katholischen Kirche und ihrer Einrichtungen Beschäftigungsmöglichkeiten.

Das BAG sah auch keine Diskriminierung des Klägers im Sinne von § 1, § 7 des Allgemeinen Gleichbehandlungsesetzes (AGG). Die Ungleichbehandlung wegen seiner Religion sei nach § 9 Abs. 1, Abs. 2 AGG gerechtfertigt. Dieser sichert das grundgesetzliche Selbstbestimmungsrecht der Kirchen auch im Rahmen des AGG.

Bewertung

Das BAG hat erneut das Selbstbestimmungsrecht der Kirchen bekräftigt. Allerdings bleibt es bei der Interessenabwägung im Einzelfall. Nicht jeder Verstoß gegen die Loyalitätsanforderungen der Kirche rechtfertigt eine Kündigung. So hatte 2011 der Chefarzt eines katholischen Krankenhauses erfolgreich gegen seine Kündigung wegen erneuter Heirat geklagt (BAG 2 AZR 543/10). Dort wogen die Interessen des Arztes an seiner Weiterbeschäftigung höher als die seines kirchlichen Arbeitgebers. Zuletzt hat der Erste Senat im vergangenen Jahr das Streikverbot in kirchlichen Einrichtungen gelockert (BAG 1 AZR 179/11 und 1 AZR 611/11). Der Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di geht das nicht weit genug; sie fordert ein generelles Streikrecht.

Vor dem Hintergrund, dass die Kirchen zu den größten Arbeitgebern in Deutschland gehören und ihre Einrichtungen mit öffentlichen Mitteln unterstützt werden, steht deren arbeitsrechtliche Sonderstellung immer häufiger in der Kritik. Es ist sicher nur eine Frage der Zeit, bis sich das Bundesverfassungsgericht mit diesem Thema beschäftigen muss.

KANZLEI SCHLESINGER
Uta Schlesinger
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